Dissertationsprojekt

Vertreibung des Maecenas aus Sachsen. Höfische Wandlungsprozesse am Beispiel von Heinrich Graf von Brühl

Die Epoche des Barock ist in vielen ehemaligen Residenzstädten als Zeitalter höfischer Repräsentation noch heute gegenwärtig. Schlösser oder ganze Stadtanlagen verdeutlichen als eine Form symbolischer Repräsentation die damaligen Machtansprüche absolutistischer Herrscher. Auch Dresden zehrt vom kulturellen Erbe, welches August II. von Polen (1670-1733) und dessen Sohn August III. von Polen (1697-1763) als Ausdruck ihrer königlichen Ambitionen innerhalb des Kollegiums der Reichsfürsten hinterlassen haben. Nicht nur die aufwendigen Bau- und Sammlungsprojekte dieser beiden Könige prägten das Bild der Stadt, ähnlich einflussreich war das mäzenatische Wirken weiterer Persönlichkeiten am sächsischen Hof. An erster Stelle ist hier Heinrich Graf von Brühl (1700-1763) zu nennen. Im Alter von fast 19 Jahren kam Brühl als Page an den sächsischen Hof. In den folgenden 25 Jahren vollzog sich hier seine gesellschaftliche und politische Karriere, die im Jahre 1746 mit der Ernennung zum Premierminister ihren Höhepunkt fand. Unter August III. bestimmte Brühl die sächsisch-polnische Innen- und Außenpolitik sowie die Kulturpolitik maßgeblich mit. Als Leiter der Ankäufe für die königliche Gemäldegalerie und Direktor der Porzellanmanufaktur sowie der Dresdner Oper hatte er Schlüsselstellen im Kulturleben der ‚augusteischen’ Zeit inne.

Dabei bediente sich Brühl ähnlicher Symbolsysteme wie der König, um seine Geltungsansprüche durchzusetzen. Nicht nur durch die steinernen Visualisierungen von Macht in Form von prächtigen Palais und Schlössern hob Graf Brühl seine Ansprüche und seinen Reichtum hervor, sondern auch indem er das Ideal des „honnête homme“ verinnerlichte. Dieses Ideal verlangte – neben der Fähigkeit zum galanten Gespräch oder dem Tanzen – auch Kenntnisse in den Schönen Künsten. Brühl nutzte das Anlegen von Kunstsammlungen als Distinktionsmerkmal und trieb parallel zu seiner politischen Karriere den Aufbau umfangreicher Sammlungen voran. Dabei konnte er sich der Agenten bedienen, die in ganz Europa nach Gemälden und anderen Kunstwerken für den polnischen König Ausschau hielten. Von ihnen bezog Brühl neben Bildern auch Bücher, Kupferstiche und Zeichnungen. Im Laufe der Jahre wuchs dabei seine Gemäldesammlung auf rund 1.000 Werke an. Die Brühlsche Bibliothek umfasste nach dem Siebenjährigen Krieg rund 62.000 Bände. Die Sammlung der Zeichnungen und Graphiken des Grafen Brühl enthielt rund 32.600 Arbeiten alter und neuer Meister. Des Weiteren sammelte Brühl Skulpturen, Tabaksdosen und Porzellan. Er war aber auch im naturwissenschaftlichen Bereich tätig, wie seine Sammlung technischer und physikalischer Instrumente sowie sein Naturalienkabinett zeigen. In dem Naturalienkabinett befanden sich unter anderem eine große Anzahl gediegener Silber- und Erzstufen, versteinerte Naturalien, sowie geschliffene und ungeschliffene Proben edler Steine einheimischer und fremdländischer Herkunft.

Bereits zu Lebzeiten war die Politik des Grafen äußerst umstritten. Er scheiterte nicht nur in seiner Außenpolitik, auch seine Innenpolitik war angreifbar, hier vor allem die Steuerpolitik. Mit immer höheren Steuern versuchte Graf Brühl die steigenden Ausgaben des Hofes zu begleichen; trotzdem war Sachsen-Polen hoch verschuldet. Während überall in Europa die Ideen der Aufklärung die Regierungsweise der Monarchen zu beeinflussen begannen, hingen Graf Brühl und August III. der Vorstellung königlicher Allmacht an. Bei dem sächsischen Kurprinzen Friedrich Christian (1722-1763), welcher der Aufklärung nahe stand, zeichnete sich hingegen ein Paradigmenwechsel ab. So verwundert es nicht, dass dieser sofort nach dem Tode seines Vaters Untersuchungen zur Arbeitsweise Brühls einleitete. Jedoch verstarb Graf Brühl nur zwei Wochen nach seinem König und Kurfürsten. Nach dem Tod Brühls weiteten sich die Untersuchungen zu einem Prozess gegen den Grafen aus. Um die Schulden des Grafen bezahlen zu können, wurden seine Sammlungen bzw. Teile der Sammlungen verkauft. Die Bibliothek wurde an die kurfürstliche Bibliothek in Dresden veräußert. Einen großen Teil der Gemäldesammlung sowie das Kupferstichkabinett erwarb Katharina II. von Russland, wovon sich das meiste noch heute in der Ermitage in Petersburg befindet. Der Verbleib der restlichen Sammlungen ist weitgehend unbekannt. Auch die Bauten Brühls in Dresden sind zerstört worden. Sein Stadtpalais an der Brühlschen Terrasse mit den dazugehörigen Gebäuden wurde im Jahre 1900 gesprengt. Lediglich die Veduten Bellottos verdeutlichen die ehemalige Präsenz des Grafen in Dresden. Auf seinen Ansichten des linken Elbufers beherrschen die hellen Gebäude der Brühlschen Terrasse die gesamte linke Seite der Wallanlagen. Heute erinnert – außer dem Namen „Brühlsche Terrasse“ für seinen Garten – nichts mehr an den Grafen.

Im Zentrum der geplanten Dissertation stehen das Brühlsche Mäzenatentum und die Entwicklung der Brühlschen Sammlungen. Mit ihnen sollen zunächst die spezifischen Mechanismen aufgezeigt werden, welche Hofmitglieder wie Brühl nutzten, um ihre einflussreichen Positionen – bis hin zur Stellung eines „Ersten Ministers“ oder „Favoriten“ – zu erlangen. Eine zentrale These ist, dass Brühl gängige Symbolsysteme instrumentalisierte, um seine Machtansprüche innerhalb der institutionellen Ordnung des Hofes durchzusetzen. Die materiellen Träger dieses Symbolisierungsprozesses waren dabei seine Sammlungen und seine Schlösser, aber auch luxuriöse Feste und eine aufwendige Garderobe. Besonders auffällig ist dabei der Umfang vor allem seiner Sammlungen. Durch das Anlegen eines Naturalienkabinetts oder einer Instrumentensammlung unterschied sich Brühl frappant von anderen Mäzenen, die hauptsächlich an den Schönen Künsten interessiert waren.

Des Weiteren soll anhand der Auflösung der Brühlschen Sammlungen die Veränderung von institutionellen Mechanismen am sächsischen Hof untersucht werden. Dazu bietet sich Heinrich Graf von Brühl in geradezu exemplarischer Weise an. Der neue Kurfürst Friedrich Christian leitete politische Maßnahmen ein, die denen seines Vaters und des Premierministers Brühl entgegengesetzt waren. Der beispiellosen Karriere Brühls schloss sich ein Sturz an, durch welchen der Graf und auch seine Hinterlassenschaften in Dresden unerwünscht waren. Der Bruch trat also besonders auffällig zutage. Als Hauptthese der geplanten Arbeit gilt, dass die veränderte Wahrnehmung des Grafen nach seinem Tod und die Auflösung der Brühlschen Sammlungen Ausdruck des Paradigmenwechsels im Selbstverständnis des Herrschenden waren. Damit vollzog sich ein Wandel institutioneller Mechanismen, bedingt durch die Transformation der Hofgesellschaft im Zeitalter der Aufklärung.

Von den Studien zum Aufwand am französischen Hof von Norbert Elias angeregt, widmeten sich verschiedene Arbeiten der Erforschung höfischer Kultur im Deutschen Reich (von Kruedener, Bauer, Pallach). Neben diesen allgemeinen Untersuchungen wurden sowohl einzelne Höfe als auch einzelne Aspekte höfischer Kultur näher analysiert, wie das französische Ideal des „honnête homme“ und die dazugehörigen Traktate (Bury, Magendie). Es wurde darauf hingewiesen, dass verfeinerte Sitten, „guter Geschmack“ bzw. „bon goût“ als Distinktionsmerkmale eines Höflings von Bedeutung waren (Burke). Sie zeigten sich im Kunstverständnis, in den Sammlungen bzw. im Mäzenatentum des Fürsten oder Adligen. Diesbezüglich sind weitere Arbeiten zu einzelnen königlichen bzw. adligen Mäzenen, wie zum Beispiel von Patrick Michel zu Jules Mazarin (1602-1661) sowie zur Entstehung und zur Inszenierung von Sammlungen an Höfen und in ihrer Umgebung entstanden (Marx, Pomian, Schnapper).

Für das geplante Dissertationsprojekt kann des Weiteren auf die Forschungen von Spenlé zur Gründung der Dresdner Gemäldegalerie und auf die damit verbundenen Untersuchungen zu den sächsischen Ankäufen auf dem Pariser Kunstmarkt zugegriffen werden. Spenlé analysierte dabei das Verhalten von Agenten, die auch für die Brühlsche Gemäldegalerie von großer Wichtigkeit waren. Eine ähnliche Untersuchung für den italienischen Kunstmarkt steht allerdings noch aus.

Zum kulturellen Wirken von Graf Brühl bestehen große Wissenslücken. Zwar ist er seit dem 18. Jahrhundert Gegenstand verschiedener Veröffentlichungen (Poellnitz, Justi, Mayer, Boroviczény, Fellmann, Vogel) gewesen, jedoch beschäftigten sich diese hauptsächlich mit der Politik und dem Leben Brühls. Mit der Herausgabe der Briefe Brühls an seinen Sekretär Heinrich von Heinecken (1707-1791) wurden 1921 kunsthistorische Fragen geklärt, welche zum Beispiel die Bilderankäufe für die Dresdner Galerie betrafen (Schmidt). Erste Schritte zur Aufarbeitung der Gemäldesammlung wurden von Heres und Weber unternommen. Im Rahmen meiner Magisterarbeit, welche 2004 an der Humboldt-Universität zu Berlin abgeschlossen wurde, konnte ich erstmals das Ausmaß der Brühlschen Sammlungstätigkeit deutlich machen, indem ich eine Aufstellung der verschiedenen Sammlungsbereiche des Grafen erarbeitete.

Mit der „Theorie und Analyse institutioneller Mechanismen“ (Rehberg) ist ein theoretisches Konstrukt entworfen worden, welches ermöglicht, die Symbolisierungsleistungen zu untersuchen, die Brühl zur Konsolidierung seiner Stellung am Hof nutzte. So lässt sich zeigen, dass Brühl mit seinem Aufwand verschiedene Legitimationsmechanismen nutzte, die jedoch durch die veränderte Herrschaftsauffassung des neuen Kurfürsten einem Wandel unterworfen waren. Mit Hilfe dieses theoretischen Ansatzes kann die Geschichte der Brühlschen Sammlungen ebenso wie die Bewertung der Person Brühls besser in ihren historischen Kontext eingeordnet werden.

Durch die geringe Anzahl an Vorstudien ist eine Erforschung der Quellen zur kulturellen Tätigkeit Brühls notwendig. Zu seiner Arbeit als Leiter der Ankäufe für die Gemäldegalerie, als Direktor der Oper und der Porzellanmanufaktur sind die entsprechenden Akten zu prüfen (Hauptstaatsarchiv Dresden, Archiv der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Archiv der Semperoper, Archiv der Meißner Porzellanmanufaktur).

Der Umfang der Brühlschen Sammlungen ist bislang lediglich durch eine allgemeine Aufstellung im Nachlassverzeichnis des Grafen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv sowie durch einen Auktionskatalog aus dem Jahre 1770 bezeugt. Genauere Nachweise seiner Sammlungstätigkeit, wie zum Beispiel der Briefwechsel Heineckens mit den Agenten bezüglich Brühlscher Kaufwünsche, sind – bis auf drei Briefe im Sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden – nicht mehr ausfindig zu machen. Akten zum Verkauf seiner Gemäldesammlung an Katharina II. von Russland haben sich im Archiv der Ermitage in Petersburg erhalten.

Der Prozess gegen den Grafen nach dessen Tod ist im Hauptstaatsarchiv in Dresden sehr genau dokumentiert. Durch diese Akten sind die Vorwürfe, welche man gegen den Grafen wegen seiner Lebensführung und seines luxuriösen Aufwands erhebt, gut nachzuvollziehen. Eine bislang unterschätzte Quelle zum Selbstverständnis Brühls stellt sein Testament, im Musäum für die Sächsische Litteratur und Staatskunde veröffentlicht, dar, in welchem er zum Beispiel den Verbleib seiner Sammlungen ordnet.

Das vorliegende Dissertationsprojekt beinhaltet zwei Arbeitsschwerpunkte. Erstens sollen die Mechanismen, die den gesellschaftlichen Aufstieg eines Höflings im Allgemeinen und des Grafen Brühl im Besonderen begünstigten, analysiert werden; zweitens wird der Wandel der Institution „Hof“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts am Beispiel des Grafen Brühl untersucht.

1.)

In der europäischen Geschichte finden sich zahlreiche Beispiele von Adligen und auch Bürgerlichen, die zum Favoriten oder Ersten Minister eines Fürsten aufstiegen. Während in der Regel nach den politischen Hintergründen ihrer Karrieren gefragt wird, sollen hier die gesellschaftlichen Voraussetzungen für einen solchen Erfolg untersucht werden. Unter anderem war die Sichtbarmachung von Geltungsansprüchen von eminenter Bedeutung. Symbolsysteme wurden instrumentalisiert, um eigene Machtansprüche durchzusetzen, wie am Beispiel des Kardinals Jules Mazarins erkennbar ist. Auch bei Brühl lässt sich zeigen, wie er seine Sammlungen und seine Schlösser sowie luxuriöse Feste und eine aufwendige Garderobe nutzte, um die angestrebte Machtposition innerhalb der hierarchischen Ordnung des Dresdner Hofes zu erreichen. Mit den jeweiligen Karriereschritten intensivierte Brühl auch seinen Aufwand, wie zum Beispiel seine Bautätigkeit. Verschiedene Fragen stellen sich vor diesem Hintergrund: Wie zum Beispiel war die hierarchische Ordnung in Dresden aufgebaut, in welcher sich Brühl durchsetzen musste? Welche „Konkurrenten“ hatte Brühl auf seinem Weg zum „Ersten Minister“? Benutzten diese die gleichen Mittel wie Brühl? Lässt sich das Vorgehen Brühls mit dem Mazarins vergleichen? Ähneln sich Voraussetzungen und Ergebnisse am französischen und am Dresdner Hof? Wie kam es zu der Vielzahl an Sammlungen die Brühl anlegte? Warum beschränkte er sich also nicht, wie die meisten anderen Sammler auch auf Gemälde und Skulpturen?

Wichtige Voraussetzungen für gesellschaftliche Anerkennung am Hof und damit auch für gesellschaftlichen Aufstieg waren von Castiglione bereits im Jahre 1528 in „Il Libro del Cortegiano“ formuliert worden. Auch in Frankreich ist in den einschlägigen Traktaten zunächst von „Courtisan“, also „Hüfling“ die Rede. Diese Bezeichnung wandelte sich jedoch spätestens bei Faret (1630) in „honnête homme“. Damit modifizierte sich das entsprechende Ideal: der auf heroische Einzeltaten fixierte Hüfling wich dem stärker in das Kollektiv der Hofgesellschaft und deren Interaktionsregeln eingebundenen „honnête homme“. Auch für den sächsischen Hof im Barock war das Ideal des „honnête homme“ gültig. Dabei ist von Interesse, ob und wie es den deutschen, den Dresdner Verhältnissen angepasst wurde, ob man also von einer Europäisierung dieses Ideals sprechen kann. Graf Brühl scheint das Ideal verkärpert zu haben. Zeitgenossen hoben sein angenehmes Äußeres und sein Talent hervor, sich bei jedermann beliebt zu machen. Auch seine Sammlungen sind auf die Erfüllung dieses Ideals hin zu untersuchen. Mit welchen Mitteln versuchte Brühl, im galanten Gespräch zum Beispiel durch Humor zu glänzen? Hinweise auf die Wichtigkeit von Humor lassen sich durch die zahlreichen Karikaturen in dem „Recueil de quelques desseins“ von Matthias Österreich finden.

2.)

Der neue Kurfürst Friedrich Christian war bereits vor seinem Regierungsantritt mit den Ideen der Aufklärung vertraut. Diese hatten bei ihm ein Umdenken bewirkt, welches sich trotz seiner kurzen Regierungszeit zeigte. Zwar stellte er seine Herrschaft selbst nicht in Frage, jedoch postulierte er als neuen Hauptzweck seiner Regierung die Förderung und den Schutz der Einwohner und nicht die Beschaffung von Mitteln für die kostspieligen Repräsentationsbedürfnisse des Hofes. Durch diese neue Leitidee und das neue Erscheinungsbild der Institution „Hof“ veränderte er den Charakter des Hofes.

Auch der Begriff des „honnête homme“, welcher zwar immer gewissen Bedeutungsänderungen unterlag, erfuhr mit Beginn der Aufklärung eine einschneidende Abwandlung. Die mondäne Bedeutungskomponente verband sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend mit dem Begriff der „honnêtes gens“. So wurde weniger der „honnête homme“ als Idealtyp, als vielmehr die „honnêtes gens“ als soziale Gruppe der Reichen abgewertet. Bereits vor der Französischen Revolution wurden sie als konservative Reformgegner und Schädlinge des Gemeinwohls bezeichnet. Die ethische Komponente wurde stärker mit der Singular-Bezeichnung verknüpft und damit die belastende mondän-exklusive Bedeutungskomponente abgestoßen. Die alten Forderungen nach unpedantischer aber umfassender Bildung verschwanden. Der „honnête homme“ zeichnete sich jetzt durch selbstlose, von Reichtum unabhängige Tugend, tätige Mitmenschlichkeit und bürgerlicher Rechtschaffenheit aus.

Dieser Wandel zeigte sich auch in der veränderten Wahrnehmung des Grafen Brühl und im Umgang mit seinen Besitztümern. Man sah in ihm nicht nur den Schuldigen für die miserable finanzielle und politische Lage Sachsens, sondern auch den Vertreter einer überkommenen Herrschaftsauffassung. Dies wird durch den Prozess und den Verkauf seiner Sammlungen deutlich. Zum Beispiel akzeptierte das Königshaus nicht die repräsentative Brühlsche Gemäldesammlung als Geschenk, so wie es Brühl in seinem Testament verfügt hatte. Stattdessen zog man es vor, durch den Verkauf Schulden begleichen zu lassen. Hingegen wurde die Brühlsche Bibliothek vom sächsischen Kurfürstenhaus angekauft. Diesem Zusammenhang – der auch den Wandel des „honnête homme“-Ideals verdeutlicht – ist bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt worden.

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