Claire Aslangul

 

Art et barbarie. La représentation de la guerre dans la peinture et le dessin en Europe au XX. siècle

Kunst und Barbarei. Kriegsdarstellungen in der europäischen Malerei und Graphik im XX. Jahrhundert

 

 

 

I - Forschungsstand zum Thema Kunst und Krieg

> rechtfertigt die hier unternommene Untersuchung

 

II - Abgrenzung des Themas 

> « Krieg », « Kriegserfahrung »

> Kunstwerke : figurative Kunst, Schwerpunkt kritische Kriegsdartellung

> Künstler : eine bestimme Generation, Schwerpunkt deutsche Künstler

 

III - Problematik, Leitfäden der Arbeit

> die Funktionszusammenhänge der Kunstwerke, zwischen Ästhetisierung / Verherrlichung und Entheroïsierung / Anklage

> Problem der Sprach- und Bildlosigkeit : untersucht werden die individuellen Bewältigungs - und Erklärungsversuche von Kriegserfahrungen.

> Die Kriegsdarstellung zwischen Innovation und Tradition : Wiederaufnahme von tradierten Motiven (christliche Gleichnisse, Allegorien aus der Antike, Motiv Totentanz...), Traditionsbrüche (Schützengräben, Perspektive aus der Luft...).

 

 

I - Forschungsstand zum Thema Kunst und Frieden

und Rechtfertigung der hier unternommenen Studie

 

1) Es ist oft bemerkt worden, dass die Kriegsdarstellungen im XX. Jahrhundert an der Grenze der Fassungslosigkeit operieren mussten : angesichts der Veränderung des Krieges (Massentötungen, Industrialisierung, Anonymisierung der Kämpfe) erweisen sich die tradierten formalen und ikonographischen Mittel der Kriegsdarstellung als fragwürdig.

Diese Herausforderung hat jedoch die Kunst nicht zum Schweigen gebracht, denn bei den europäischen Künstlern hat in diesem Jahrhundert eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg stattgefunden.

 

2) Trotz dieser Fülle von Bildern gibt es zu diesem Thema relativ wenig Forschung : so bemerkte 1983 Gunnar Gerlach, dass « der Zusammenhang von Krieg und Kunst zu einem lexikalisch und ikonographisch verwertbaren Schlagwort verkommt », und dass « die wissenschaftlichen Arbeiten über Kriegs-Kunst sich an einer Hand abzählen lassen » [1]. 10 Jahre später merkt Annegret Jürgens-Kirchhoff weiter : « der Vielzahl von Kunstwerken, die den Krieg thematisieren, entspricht nicht annähernd der Umfang einschlägiger kunstwissenschaftlicher Untersuchungen, die sich mit Bildern vom Krieg befassen. (...) Die meisten kunsthistorischen Untersuchungen aus der Zeit des 1. Weltkrieges vertreten einen militärischen Sandpunkt und der Krieg wurde in der Kunstgeschichte nach 1945 weitgehend verdrängt » [2]. 1994 noch bemerkte Christoph Stölzl in dem Vorwort zum Katalog Die letzten Tage der Menschheit. Bilder des 1. Weltkriegs dass, obwohl « der 1. Weltkrieg als Urkatastophe unseres Jahrhunderts » gedeutet wurde, merkwürdigerweise trotzdem « kaum jemand sich systematisch mit den Bildern des Krieges beschäftigt hat  (....) Die Untersuchung der Medien- und Kunstgeschichte des 1. Weltkrieges und seines Echos hat eben erst begonnen » [3].

 

3) Zwar liegen bereits interessante Untersuchungen vor :

> 1991 ist eine bibliographische Bilanz von Hans-Martin Kaulbach zum Thema Krieg in der Kunst veröffentlicht worden  [4];

> man findet allgemeine Studien zum Thema Krieg in der Kunst im Verlauf der letzten Jahrhunderte [5] ;

> es gibt auch Analysen über Leitmotive der Kriegsdarstellung : der Soldat [6], die Kanone [7], der Totentanz [8]

Aber bei den Untersuchungen, die sich auf das XX. Jahrhundert konzentrieren, werden oft Künstler aus einem einzigen Land [9], oder Bilder zu einem der grossen Kriege dieses Jahrhundert berücksichtigt [10], also meistens ohne inter-nationale und diakronisch vergleichende Perspektive.

Gerade diese vergleichende Perspektive interessiert uns bei der hier vorgeschlagenden Untersuchung, die Künstler aus verschiedenen europäischen Ländern und Bilder aus den beiden Weltkriegen umfassen soll. Annegret Jürgens-Kirchhoff hat vor ein paar Jahren in ihrer grundlegenden Studie den gleichzeitig interessanten und schwierigen Charakter einer solcher dia- und synkronischen Analyse beschrieben [11] ; das Thema « Kriegsdarstellungen in Europa im XX. Jahrhundert » ist in der Tat sehr breit, und im Rahmen unserer Promotionsarbeit gilt es, das Thema enger abzugrenzen.

 

 

II - Abgrenzung des Themas

 

1) Was heisst das, wenn wir sagen « Bilder zum Thema Krieg im XX. Jahrhundert » ?

> Im Rahmen der unternommenen Untersuchung wollen wir vor allem die Bilder zu den 2 Weltkriegen des XX. Jahrhunderts berücksichtigen, was nicht ausschliesst, dass ab und zu Bilder zu anderen Konflikten miteinbezogen werden, denn die Künstler, die über die beiden Weltkriege gemalt haben, haben manchmal auch den spanischen Bürgerkrieg oder den Korea-Krieg oder noch die Drohung eines Atomkriegs thematisiert, was ihre Werke zu den Weltkriegen interessanterweise erhellen kann.

> Die Untersuchung wird sich auf Malerei, Zeichnung und Druckgraphik beschränken, und weitere Kriegsdarstellungen in der Plastik, bei den Kriegsdenkmalen oder Mahnmalen ausser acht lassen ; ausserdem werden Karikatur, Satire und Plakatkunst, für die schon umfassende Forschung vorliegt, nicht berücksichtigt werden.

> die affirmative Kriegsdarstellung (die Kriegskunst in apologetischer Absicht) ist kein Schwerpunkt der begonnenen Forschung : so werden die bereits gründlich studierten Kunstwerke des italienischen Futurismus und des deutschen Nationalsozialismus nur dann berücksichtigt, wenn sie kontrapunktisch zum Verständnis der « kritischen » Kriegsdarstellungen nützlich sein können ; die Begriffe « apologetisch » und « kritisch » sind jedoch oft ungenügend, um das Werk von bestimmten Künstlern zu bezeichnen, denn manche haben je nach dem Zeitpunkt veränderte Standpunkte (man denke zum Beispiel an Ernst Barlach, der 1914 das Bild Jetzt wollen wir sie dreschen malte, und sich dann für den Pazifismus engagierte – gerade solche Entwicklungen interessieren uns).

> Wir wollen hier nur jene Bilder berücksichtigen, die sich explizit auf den Krieg beziehen [12], sei es durch den Titel (Eugen Hoffmann [1892-1955], Opfer des Krieges, 1944, oder Beim Luftangriff, 1942) oder durch das Motiv (zum Beispiel : Josef Scharl [1893-1954], Das Massaker an den Unschuldigen, 1942). Ausserdem werden Werke miteinbezogen, von denen bewiesen ist (durch die Aussagen der Künstler), dass sie Bezug auf den Krieg nehmen - zum Beispiel Paul Nash We are making a new world, 1915, ein Gemälde, das eine verwüstete Kriegslandschaft darstellt, aber ohne Waffen oder Soldaten die « direkt » auf den Krieg hinweisen würden ; hier werden also die Tagebücher, Briefe oder Berichte der Künstler, sowie bekannte Elemente ihrer Biographie berücksichtigt (Nash war Kriegsmaler und Soldat in beiden Weltkriegen und hat das eben erwähnte Ölgemalde im Rahmen einer ganzen Serie zum Thema Krieg gemalt ; We are making a new world zeigt die Verwüstung einer Lanschaft nach der Schlacht und ist vom Künstler entsprechend kommentiert worden).

> Hier werden die Kunstwerke nicht als bloss historische und zeitgeschichtliche Dokumente betrachtet, denn es ist klar, dass sie nicht nur aus politischen Gründen und soziologischen Zusammenhängen hervorgehen ; jedoch betrachtet die ikonologische Fragestellung das Kunstwerk nicht nur als « in sich selbst ruhendes ästhetisches Objekt » [13], sondern in seiner Beziehungen zu den zeitgenössischen politischen, soziologischen und kulturgeschichtlichen Hintergründen und in dem Kontext einer ikonographischen Tradition.

 

2) Welche Künstler werden in dieser Studie berücksichtigt ?

Das Kriterium der Generation erchien uns interessanter als das der Nationalität, auch wenn der Schwerpunkt aus praktischen Gründen auf deutschen, englischen, französischen und belgischen Künstlern liegen wird. Pierre Nora hat in seiner zusammenfassenden Synthese zum Thema « Generation » gezeigt, dass dieser Begriff sich zwar schwer definieren lässt, dass er aber sehr zutreffend sein kann [14]. Er dient hier zum Abgrenzung des Themas, da es unmöglich wäre, alle Künstlern aus ganz Europa zu betrachten : es geht darum, die Behandlung des Thema Krieg bei Künstlern zu verfolgen, die eine gemeinsame Erfahrung des Krieges zu dem gleichen Alter haben, und die diese Erfahrung jeder auf seine Weise ästhetisch bewältigt, kommentiert, denunziert haben : die in Formen und Motiven verschiedenen ästhetischen Transformationen einer gemeinsamen Erfahrung bilden den Leitfaden unserer Untersuchung.

Es könnten natürlich mehrere Generationen definiert und behandelt werden ; hier wird der Schwerpunkt auf jenen Künstlern liegen, welche die beiden Traumata des Ersten Weltkrieges und des Zweiten Weltkrieges « erlebt » haben, und die den Krieg zum wichtigen Thema ihres künstlerischen Schaffens gemacht haben ; hier wird der Begriff « Erfahrung » im breitesten Sinne aufgefasst : unter den Künstlern, die gegen 1890 geboren sind, die den 1. Weltkrieg als junge Erwachsene erlebt haben, und die nach 1945 gestorben sind, sind manche nur einmal in den Krieg gezogen (Carl Hofer, Otto Pankok zum Beispiel), andere zwei mal (A. Paul Weber , Franz Radziwill, Karl Rössing, Paul Nash), andere haben den Krieg aus der Distanz des Exils erlebt (Franz Masereel zum Beispiel) - für alle war aber auf jeden Fall der Krieg eine grundlegende Erfahrung und ein tiefes Trauma, die ihre künstlerische Entwicklung geprägt haben, zuerst am Anfang ihres Erwachsenenlebens, dann als ältere Menschen.

Bemerkung  : zu dieser Definition sehr passend erscheinen Künstler wie Otto Dix oder Max Beckmann, aber zu diesen Künstelrn liegen schon viele Studien vor [15] ; die Analyse der Auseinandersetzung mit dem Krieg bei diesen bekannten Künstlern wird also nur selektiv und zugunsten der weniger gut erforschten Beispiele erfolgen. Die unternommene Arbeit strebt keine Vollständigkeit des Materials an, sondern die Definition einer Auswahl, die es ermöglicht, bestimmte, in dem gesamten Material sich abzeichnende Probleme exemplarisch zu verdeutlichen.

 

Uns interessieren die vergleichende Analyse des ästhetischen Ausdrucks der Kriegserfahrung bei verschiedenen Künstlern und die Entwicklungen ihrer künstlerischen und persönlichen Haltung dem Krieg gegenüber im Laufe der Zeit - besonders interessant erscheinen die bei jeden Künstler differenzierten Verarbeitungsweisen des 1. und des 2. Welkrieges, sowie auch die Phasen der Auseinandersetzung mit dem Krieg im Laufe von jedem Konflikt (zum Beispiel in bezug auf den 1 . Weltkrieg : Vorkriegszeit und Kriegsausbruchvisionen, Begeisterung die Beckmann sagen lässt : « Alles ist Leben, wunderbar abwechslungvoll und überreich an Einfällen » ; dann Schock mit der Realität im « Menschenschlachthaus », also ernüchterndes Erlebnis auf den Schlachtfeldern ; und endlich Nachkriegszeit, die manchmal mit einem ethischen oder gar politischen Engagement für den Frieden zusammengeht ; uns interessiert den Zusammenhang zwischen diesen persönlichen Einstellungen zum Krieg und dem Niederschlag dieser Entwicklungen im ästhetischen Bereich).

 

 

III - Problematik - Leitfäden der Fragestellung in dieser Arbeit

 

1 ) die Problematik Ästhetisierung / Verherrlichung versus Entheroïsierung / Anklage

Wie schon erwähnt gab es am Anfang des Ersten Weltkrieg oft eine gewisse Faszination für den Krieg - auch bei später kritischen Künstlern [16]. Und allgemein bei jeder Kriegsdarstellung, auch bei denen, die auf den ersten Blick als kritisch zu deuten sind, stellt sich immer die Frage : wird das Hässliche des Krieges in der künstlerischen Darstellungen, dadurch, dass « der Künstler auf die Mittel der ‘schönen Malerei’ angewiesen bleibt » [17], nicht ästhetisiert, das heisst verharmlost wenn nicht sogar verherrlicht ? Erlegt der Künstler trotz seiner mehr oder weniger expliziten kritischen Absicht der Versuchung der « Verschönerung» des Kriegsgreuels ? Welche ikonographische und formelle Mittel werden vom Künstler eingesetzt, um das Hässliche in der schönen Kunst als hässlich zu vermitteln ? Gelingt es ihm ? Wurde das Gemälde entsprechend rezipiert ? Wie wurde gerade diese Konfrontation Schreckliches / Schönes als Mittel der Emotionalisierung genutzt, um die Wahrnehmung zu provozieren ?

Dass die Kunst, auch wenn sie aus dem Ekel vor dem Krieg enstanden ist, ästhetische Verarbeitung des Greuels bleibt, und dass gerade das Probleme bei der Rezeption der Kunstwerke Fragen bringt, ist keine neue Fragestellung : So schrieb zum Beispiel Ernst Kallai 1927 : « Das Schützengrabenbild von Dix könnte ebensogut der Gegenstand höchster Anbetung eines fanatischen Kriegsverherers als pazifistisches Propagandamittel sein » [18]... Wie gehen die Künstler mit dieser Herausforderung um, dass der Gegenstand Krieg « dadurch, dass er in die Kunst eingeführt wird, in besonderer Weise geadelt » [19] wird ?

 

2 ) Die Problematik der Sprach- und Bildlosigkeit

In bezug auf die Darstellbarkeit der modernen Konflikte äusserte schon 1917 der Kunsthistoriker Richard Hamann die Überzeugung, dass angesichts der Greuel des Weltkrieges die alte Tradition der Schlachtenmalerei zum Absterben verurteilt sei ; der moderne Krieg sei nicht darstellbar : « Das Quantum des Leidens, das ein solcher Krieg über die Welt gebracht hat, lässt sich nicht einmal andeutungsweise auf engem Raum eines Bildes zusammendrängen ».

Mit dem 2. Weltkrieg und der Ausrottung der Juden erscheint der « Zivilisationsbruch » noch tiefer, und die Darstellbarkeit der Schrecknisse des Krieges tritt als noch grössere Herausforderung hervor. Um Adorno zu zitieren : wie kann man nach Auschwitz noch ein Gedicht schreiben, oder ein angemessenes Bild malen ? Ist jede Kulturproduktion nach Auschwitz nur noch « Müll » ?

Gegenstand der Untersuchung werden hier die Bewältigungsversuche von Kriegserfahrungen, die künstlerischen Reaktionen auf die neue Herausforderung der Kriegsdarstellung im XX. Jahrhundert : welche Bilder, welche Motive, welche ästhetische Mittel haben die Künstlmer eingesetzt, um ihre Kriegserfahrung zu vermitteln, kommentieren und bewältigen ?

 

3) Motivuntersuchung  : Diese Kriegsdarstellungen, diese Auseinandersetzungen mit den Schrecken des Krieges werden thematisch behandelt werden, mit Blick auf die Stellung dieser Darstellungen zwischen Tradition und Traditionsbrüchen.

> Die Untersuchung der Motive macht eine vergleichende Analyse möglich, welche die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der künstlerischen Transformationen von Kriegserfahrungen ans Licht bringt. Eine typologieartige Klassifikation der zu untersuchenden Motive lässt sich aus den schon vorliegenden Analysen herstellen (Kriegslandschaft, Alltag im Krieg, Porträt...), wird aber im Laufe der Arbeit verfeinert werden.

> Dabei werden der Wiederaufnahme der Tradition und den Brüchen mit dieser Tradition besondere Aufmersamkeit gegeben. Denn um auf die eben erwähnte Herausforderung der Kriegsdarstellung zu antworten haben sich die bildenden Künstler reichlich der traditionnellen Ikonographie bedient, wobei sie diese mit neuen Motiven und Malweisen bereichert und weiterentwickelt haben.

Zur Wiederaufnahme der tradierten Ikonographie gehören insbesondere die christlichen Gleichnisse und die aus der Antike entnommenen Kriegsallegorien, sowie das Motiv des Totentanzes. Visionen vom Jüngsten Gericht als Anklage gegen die Grausamkeit des Krieges findet man zum Beispiel bei Ludwig Meidner (1884-1966) mit dem 1916 gemalten Jüngsten Tag, oder bei Georges Rouault (1871-1958) mit dem Zyklus Miserere. La guerre von 1914-1918. Die Apokalyptischen Reiter bilden ebenfalls ein wiederkehrendes Motiv (zum Beispiel bei Frans Masereel, 1954). Allegorien aus der Antike findet man zum Beispiel bei Otto Dix, der sich als Kriegsgott porträtiert (Selbstbildnis als Mars, 1915). Die Motivik des Totentanzes ist auch sehr wichtig (es seien nur ein paar Beispiele zitiert : Otto Dix’ [1891-1969] « Totentanz anno 1917 » aus der Folge Der Krieg; Frans Masereels [1889-1972] Danses macabres, 1941).

Das Interessante an diesen Kunstwerken über den Krieg ist, dass sie oft an der Grenze zwischen Tradition und Innovation stehen : so findet man zum Beispiel Kreuzigungen - wo aber die Dornenkrone aus Stacheldraht besteht, oder apokalyptische Reiter - die aber eine Gasmaske tragen, oder noch Reaktualisierungen von dem schon bei Brueghel anwesenden Gleichnis der Blinden - aber mit Hakenkreuz am Arm ; die Leiden der Bevölkerung in Anlehnung an Callot und Goya werden thematisiert - aber mit zeitgenössichen Kennzeichen wie zum Beispiel der Einführung von dem Motiv des Luftangriffes... Die « Intertextualität » und innovative Wiederaufnahme von tradierten Motiven und Metaphern des Kriegs in der Kunst bilden einen Schwerpunkt unserer Arbeit. In dieser Hinsicht erscheinen Künstler wie A. Paul Weber (1892 geboren) besonders interessant, die Techniken, Bilder, Figuren, Hintergründe und Themen von Künstlers aus der Renaissance, aus den 17. Und 19. Jahrhunderten sowie Gedanken aus der Literatur - eischliesslich Bibel - genutzt haben.

Das Verständnis und die Berücksichtigung der Tradition sind die Bedingung, um die Traditionsbrüche zu verstehen . Wenn mit der Technisierung des Krieges Heldentum, Tapferkeit und Hingabe sich auf dem modernen Schlachtfeld als Chimäre erweisen und wenn also die individuellen Heldentaten an Bedeutung verlieren, wenn nun anonyme Massen vernichtet werden, so dass nur das Elend als letzte Realität bleibt, wenn das Dynamische des Krieges verschwindet und der Krieg sich zum Stellungskrieg mit Schützengräben entwickelt, wenn Luftangriffe ganze Städte zerstören und der Krieg nur an den hinterlassenen Spuren wahrnehmbar bleibt wenn ... dann erschöpfen sich die konventionellen Mittel (man denke nur an die tradierten Schlachtbilder mit Pferd und Reiter !). Das Schlachtfeld wird im XX. Jahrhundert anders beschrieben : man findet nun leichenvolle Schützengräben, menschenleere Landschaften, zerpflügte Erde ; bei Paul Nash zum Beispiel wird die Zerstörung der Landschaft durch den Krieg thematisiert, und die leidenden Menschen kommen kaum vor, denn hier geht es um das Auslöschen vom Leben ; als offizieller Maler im 1. Weltkrieg wurde Nash verboten, tote Soldaten darzustellen - um die Motivation der Truppen nicht zu zerstören, aber gerade die Abwesenheit des Lebens wirkt beeindruckend und deprimierend. Neue Motive wie das des zerschossenen Waldes, der Ruinenlandschaften (s. Wilhelm Rudolph, der Xmal die Ruinen von Dresden malt) treten in den Vordergrund. Mit der Technisierung des Krieges [20] wird das Schlachtfeld weiträumiger und der Krieg wird in seinem Ablauf weniger übersichtlich ; Episoden des Soldatenlebens treten dann an die Stelle vom « Überschaubild » - eine Tendenz, die Sybille Bock schon in der bildlichen Darstellungen zum Krieg von 1870-71 beobachtet hat [21], und die der Kunsthistoriker François Robichon zusammengefasst hat : « Der Frontalltag und die Ruinen waren die beiden ikonographischen Mittel, um das Schreckliche nicht darstellen zu müssen und den Krieg doch wahrheitsgetreu zu wiedergeben » [22].

Der Bezug zur Realität selbst ist zu befragen : Ekkerhart Mai [23] behauptet, dass « der Report der Wirklichkeit - nicht mehr das erwünschte, komponierte Ideal - jetzt in dem Vordergrund stand», aber solche Behauptungen müssen nuanciert werden, denn die Maler verstehen sich meistens eben nicht nur als Kriegsreporter ; hiermit berühren wir aber eine weitere wichtige Problematik, nämlich die der Frage nach der Konkurrenz der Bilder : in einer Zeit, wo die Fotografie eine wachsende Stellung nimmt, welche Rolle kommt der bildenden Kunst zu und wie sehen die bildenden Künstler diese Entwicklungen ?

 

 



[1] Gunnar GERLACH, Reinhold HAPPEL, Hans-Martin KAULBACH, Elke LAUPITZ, « Krieg - Kunst - Kunstgeschichte. Bemerkungen zu einer Ausstellung über eine ‘unbeteiligte’ Wissenschaft im kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg, Januar - März 1982 », in : Kritische Berichte, 10. Jg., 1983, Heft 2/3, S. 340-359, hier S. 349.

[2] Annegret JÜRGENS-KIRCHHOFF Schreckensbilder. Krieg und Kunst, Berlin 1993, S. 19.

[3] in : ROTHER, Rainer (Hrsg.), Die letzten Tage der Menschheit. Bilder des 1. Weltkriegs, eine Ausstellung des DHM, Berlin 1994.

[4] Hans-Martin KAULBACH, « Krieg und Kriegsvorbereitung in der Kunst », in : Jahresbibliographie , Bibliothek für Zeitgeschichte, Stuttgart 1991, p. 655-676.

[5] D. J. R. BRUCKNER, S. CHWAST et S. HELLER, Kunst gegen den Krieg. 400 Jahre Protest in der Kunst, Basel, Boston, Stuttgart 1984 ; Ulrich GERSTER, Regine HELBLING, Krieg und Frieden in der bildenden Kunst, Zürich 1996 ; thematische Ausstellungskataloge : Beitrag der bildenden Kunst zum Thema Krieg und Frieden, Berlin 1975 ; Schrecken des Krieges. Zeugnisse aus drei Jahrhunderten, Berlin 1983 ; Schrecken und Hoffnung. Künstler sehen Krieg und Frieden, Hambourg 1987 ; Schrecknisse des Krieges. Druckgraphische Bildfolgen aus fünf Jahrhunderten , Ludwigshafen 1983...

[6] Joachim UHLITZSCH, Der Soldat in der bildenden Kunst 15-20. Jahrhundert, Berlin 1987.

[7] Hans-Martin KAULBACH, Bombe und Kanone in der Karikatur, Marburg 1987.

[8] Reinhold HAMMERSTEIN, Tanz und Musik des Todes. Die mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben, Munich 1980 ; Friedrich W. KASTEN, Thema Totentanz. Kontinuität und Wandel einer Bildidee vom Mittelalter bis heute, Mannheim 1986.

[9] Über Frankreich : Philippe DAGEN, Le silence des peintres. Les artistes face à la Première Guerre , Paris 1996, und Frédéric LACAILLE, La Première Guerre mondiale vue par les peintres, Paris 1998 ; über England : Angela SUMMERFIELD, The Artist at War : Second World War Paintings and Drawings from the Walker Art Galery’s Collection, Liverpool 1990 ; über Deutschland : Ausstellungskatalog Der erste Weltkrieg. Vision und Wirklichkeit, Munich 1982.

[10] Zum Beispiel : Die Letzten Tage der Menschheit. Bilder vom 1. Weltkrieg, S. Fussnote 3; Kunst und Krieg 1939-1989, Haus der Kulturen der Welt, Berlin 1989 ; Lionel RICHARD, L’art et la guerre. Les artistes confrontés à la Seconde Guerre mondiale, Paris, 1995.

[11] Annegret JÜRGENS-KIRCHHOFF Schreckensbilder. Krieg und Kunst, Berlin 1993 : « Eine vergleichende Untersuchung wäre wichtig und wünschenswert, hätte jedoch den Rahmen dieser Arbeit gesprengt », S. 23.

[12] Aufgrund dieser Forderung der « Explizitheit» werden die abstrakten Kunstwerke, deren Deutung gleichzeitig schwieriger und freier ist, nicht in Betracht genommen.

[13] Siegmar HOLSTEN, Allegorische Darstellungen des Krieges 1870-1918. Ikonologische und ikonologiekritische Studien, München 1976, S. 9.

[14] Pierre Nora, « La génération », in : Les lieux de mémoire, Band 2, S. 2975-3015.

[15] Zum Beispiel : Matthias EBERLE, World War I ans the Weimar Artists : Dix, Grosz, Beckmann, Schlemmer , London 1985.

[16] So schrieb zum Beispiel Beckmann in seinen Briefen 1914, Krieg seit « Erscheiningsform des Lebens », er hoffe, « viel zu erleben » und sei « froh » ; er bezeichnet den Krieg als « gross und schmerzlich » : « Meine Kunst kriegt hier zu fressen », « je öfter man stirbt, desto intensiv lebt man »

[17] Jürgens-Kirchhoff , S. 259.

[18] Ernst Kallai, in : Das Kunstblatt , 1927.

[19] Georg Bussmann, « Die Darstellung des Krieges », S. 194-199 in : Ausstellungskatalog Kunst im 3. Reich. Dokumente der Unterwerfung, Frankfurt/ M. 1974, hier S. 195. Um es ganz zu zitiern : « Der Gegenstand wird dadurch, dass er in die Kunst eingeführt wird, in besonderer Weise ‘geadelt’. Er wird in die Sphäre der Kultur, d. h. in den Bereich der fraglos anerkannten Werte gehoben ».

[20] S. François Robichon, in : Ausstellungskatalog Die letzten Tage der Menschheit, S. 288 : « das hervorstechende Merkmal dieses Krieges mit seinen Schützengräben und das Maschinengewehr ist der Einsatz von Maschinen : Flugzeuge, Panzer (...) Die ‘Modernität’ des 1. Weltkrieges bestand in seiner industriellen Dimension ».

[21] Sybille BOCK, Bildliche Darstellungen zum Krieg von 1870-71, Diss. Freiburg 1982.

[22] François Robichon, S. Fussnote 20, S. 290.

[23] Ekkerhart Mai, Die Letzten Tage der Menschheit, S. 257.