Claire Aslangul
Art et barbarie. La représentation de la guerre
dans la peinture et le dessin en Europe au XX. siècle
Kunst und Barbarei. Kriegsdarstellungen
in der europäischen Malerei und Graphik im XX. Jahrhundert
I - Forschungsstand zum Thema Kunst und Krieg
> rechtfertigt die hier unternommene Untersuchung
II - Abgrenzung des Themas
> « Krieg », « Kriegserfahrung »
> Kunstwerke : figurative Kunst, Schwerpunkt kritische Kriegsdartellung
> Künstler : eine bestimme Generation, Schwerpunkt deutsche Künstler
III - Problematik, Leitfäden der Arbeit
> die Funktionszusammenhänge der Kunstwerke, zwischen Ästhetisierung
/ Verherrlichung und Entheroïsierung / Anklage
> Problem der Sprach- und Bildlosigkeit : untersucht werden die individuellen
Bewältigungs - und Erklärungsversuche von Kriegserfahrungen.
> Die Kriegsdarstellung zwischen Innovation und Tradition : Wiederaufnahme
von tradierten Motiven (christliche Gleichnisse, Allegorien aus der Antike,
Motiv Totentanz...), Traditionsbrüche (Schützengräben, Perspektive
aus der Luft...).
I - Forschungsstand zum Thema Kunst und Frieden
und Rechtfertigung der hier unternommenen Studie
1) Es ist oft
bemerkt worden, dass die Kriegsdarstellungen im XX. Jahrhundert an der Grenze
der Fassungslosigkeit operieren
mussten : angesichts der Veränderung des Krieges (Massentötungen,
Industrialisierung, Anonymisierung der Kämpfe) erweisen sich die tradierten
formalen und ikonographischen Mittel der Kriegsdarstellung als fragwürdig.
Diese Herausforderung hat jedoch die Kunst nicht zum Schweigen gebracht, denn
bei den europäischen Künstlern hat in diesem Jahrhundert eine intensive
Auseinandersetzung mit dem Thema
Krieg stattgefunden.
2) Trotz dieser
Fülle von Bildern gibt es zu diesem Thema relativ wenig Forschung : so bemerkte 1983 Gunnar Gerlach, dass
« der Zusammenhang von Krieg und Kunst zu einem lexikalisch und
ikonographisch verwertbaren Schlagwort verkommt », und dass « die
wissenschaftlichen Arbeiten über Kriegs-Kunst sich an einer Hand abzählen
lassen »
[1]. 10 Jahre später merkt Annegret Jürgens-Kirchhoff
weiter : « der Vielzahl von Kunstwerken, die den Krieg thematisieren,
entspricht nicht annähernd der Umfang einschlägiger kunstwissenschaftlicher
Untersuchungen, die sich mit Bildern vom Krieg befassen. (...) Die meisten
kunsthistorischen Untersuchungen aus der Zeit des 1. Weltkrieges vertreten
einen militärischen Sandpunkt und der Krieg wurde in der Kunstgeschichte
nach 1945 weitgehend verdrängt »
[2]. 1994 noch bemerkte Christoph Stölzl in dem Vorwort
zum Katalog Die letzten Tage der Menschheit.
Bilder des 1. Weltkriegs dass, obwohl « der 1. Weltkrieg als
Urkatastophe unseres Jahrhunderts » gedeutet wurde, merkwürdigerweise
trotzdem « kaum jemand sich systematisch mit den Bildern des Krieges
beschäftigt hat (....) Die Untersuchung der Medien- und Kunstgeschichte
des 1. Weltkrieges und seines Echos hat eben erst begonnen »
[3].
3) Zwar liegen
bereits interessante Untersuchungen
vor :
> 1991 ist eine bibliographische Bilanz von Hans-Martin Kaulbach zum Thema
Krieg in der Kunst veröffentlicht worden
[4];
> man findet allgemeine Studien zum Thema Krieg in der Kunst im Verlauf
der letzten Jahrhunderte
[5] ;
> es gibt auch Analysen über Leitmotive der Kriegsdarstellung :
der Soldat
[6], die Kanone
[7], der Totentanz
[8].
Aber bei den Untersuchungen, die sich auf das XX. Jahrhundert konzentrieren,
werden oft Künstler aus einem einzigen Land
[9], oder Bilder zu einem der grossen Kriege dieses Jahrhundert
berücksichtigt
[10], also meistens
ohne inter-nationale und diakronisch vergleichende Perspektive.
Gerade diese vergleichende Perspektive interessiert uns bei der hier vorgeschlagenden
Untersuchung, die Künstler aus verschiedenen europäischen Ländern
und Bilder aus den beiden Weltkriegen umfassen soll. Annegret Jürgens-Kirchhoff
hat vor ein paar Jahren in ihrer grundlegenden Studie den gleichzeitig interessanten
und schwierigen Charakter einer solcher dia- und synkronischen Analyse beschrieben
[11] ; das Thema « Kriegsdarstellungen in
Europa im XX. Jahrhundert » ist in der Tat sehr breit, und im Rahmen
unserer Promotionsarbeit gilt es, das Thema enger abzugrenzen.
1) Was heisst das, wenn wir sagen « Bilder zum Thema Krieg im XX.
Jahrhundert » ?
> Im Rahmen der unternommenen Untersuchung wollen wir vor allem die
Bilder zu den 2 Weltkriegen des XX. Jahrhunderts berücksichtigen,
was nicht ausschliesst, dass ab und zu Bilder zu anderen Konflikten miteinbezogen
werden, denn die Künstler, die über die beiden Weltkriege gemalt
haben, haben manchmal auch den spanischen Bürgerkrieg oder den Korea-Krieg
oder noch die Drohung eines Atomkriegs thematisiert, was ihre Werke zu den
Weltkriegen interessanterweise erhellen kann.
> Die Untersuchung wird sich auf
Malerei, Zeichnung und Druckgraphik beschränken, und weitere Kriegsdarstellungen
in der Plastik, bei den Kriegsdenkmalen oder Mahnmalen ausser acht lassen ;
ausserdem werden Karikatur, Satire und Plakatkunst, für die schon umfassende
Forschung vorliegt, nicht berücksichtigt werden.
> die affirmative Kriegsdarstellung (die Kriegskunst in apologetischer
Absicht) ist kein Schwerpunkt der begonnenen Forschung : so werden die
bereits gründlich studierten Kunstwerke des italienischen Futurismus
und des deutschen Nationalsozialismus nur dann berücksichtigt, wenn sie
kontrapunktisch zum Verständnis der
« kritischen » Kriegsdarstellungen nützlich
sein können ; die Begriffe « apologetisch »
und « kritisch » sind jedoch oft ungenügend, um
das Werk von bestimmten Künstlern zu bezeichnen, denn manche haben je
nach dem Zeitpunkt veränderte Standpunkte (man denke zum Beispiel an
Ernst Barlach, der 1914 das Bild Jetzt
wollen wir sie dreschen malte, und sich dann für den Pazifismus engagierte
– gerade solche Entwicklungen interessieren uns).
> Wir wollen hier nur jene Bilder berücksichtigen, die sich explizit auf den Krieg beziehen
[12], sei es durch den
Titel (Eugen Hoffmann [1892-1955],
Opfer des Krieges, 1944, oder Beim
Luftangriff, 1942) oder durch das
Motiv (zum Beispiel : Josef Scharl [1893-1954],
Das Massaker an den Unschuldigen, 1942). Ausserdem werden Werke miteinbezogen,
von denen bewiesen ist (durch die
Aussagen der Künstler), dass sie Bezug auf den Krieg nehmen - zum
Beispiel Paul Nash We are making a new
world, 1915, ein Gemälde, das eine verwüstete Kriegslandschaft
darstellt, aber ohne Waffen oder Soldaten die « direkt »
auf den Krieg hinweisen würden ; hier werden also die Tagebücher,
Briefe oder Berichte der Künstler, sowie bekannte Elemente ihrer
Biographie berücksichtigt (Nash war Kriegsmaler und Soldat in beiden
Weltkriegen und hat das eben erwähnte Ölgemalde im Rahmen einer
ganzen Serie zum Thema Krieg gemalt ;
We are making a new world zeigt die Verwüstung einer Lanschaft nach
der Schlacht und ist vom Künstler entsprechend kommentiert worden).
> Hier werden die Kunstwerke nicht als bloss historische und zeitgeschichtliche
Dokumente betrachtet, denn es ist klar, dass sie nicht nur aus politischen
Gründen und soziologischen Zusammenhängen hervorgehen ; jedoch
betrachtet die ikonologische Fragestellung das Kunstwerk nicht nur als « in
sich selbst ruhendes ästhetisches Objekt »
[13], sondern in seiner Beziehungen zu den zeitgenössischen
politischen, soziologischen und kulturgeschichtlichen Hintergründen und
in dem Kontext einer ikonographischen Tradition.
2) Welche Künstler werden in dieser Studie berücksichtigt ?
Das Kriterium der Generation erchien
uns interessanter als das der Nationalität, auch wenn der Schwerpunkt
aus praktischen Gründen auf deutschen, englischen, französischen
und belgischen Künstlern liegen wird. Pierre Nora hat in seiner zusammenfassenden
Synthese zum Thema « Generation » gezeigt, dass dieser
Begriff sich zwar schwer definieren lässt, dass er aber sehr zutreffend
sein kann [14]. Er dient
hier zum Abgrenzung des Themas, da es unmöglich wäre, alle Künstlern
aus ganz Europa zu betrachten : es geht darum, die Behandlung des Thema
Krieg bei Künstlern zu verfolgen, die eine gemeinsame Erfahrung des Krieges
zu dem gleichen Alter haben, und die diese Erfahrung jeder auf seine Weise
ästhetisch bewältigt, kommentiert, denunziert haben : die in Formen und Motiven verschiedenen ästhetischen Transformationen
einer gemeinsamen Erfahrung bilden den Leitfaden unserer Untersuchung.
Es könnten natürlich mehrere Generationen definiert und behandelt
werden ; hier wird der Schwerpunkt auf jenen Künstlern liegen, welche
die beiden Traumata des Ersten Weltkrieges
und des Zweiten Weltkrieges « erlebt » haben, und
die den Krieg zum wichtigen Thema ihres künstlerischen Schaffens gemacht
haben ; hier wird der Begriff « Erfahrung » im
breitesten Sinne aufgefasst : unter den Künstlern, die gegen 1890
geboren sind, die den 1. Weltkrieg als junge Erwachsene erlebt haben, und
die nach 1945 gestorben sind, sind manche nur einmal in den Krieg gezogen
(Carl Hofer, Otto Pankok zum Beispiel), andere zwei mal (A. Paul Weber ,
Franz Radziwill, Karl Rössing, Paul Nash), andere haben den Krieg aus
der Distanz des Exils erlebt (Franz Masereel zum Beispiel) - für alle
war aber auf jeden Fall der Krieg eine grundlegende Erfahrung und ein tiefes
Trauma, die ihre künstlerische Entwicklung geprägt haben, zuerst
am Anfang ihres Erwachsenenlebens, dann als ältere Menschen.
Bemerkung :
zu dieser Definition sehr passend erscheinen Künstler wie Otto Dix oder
Max Beckmann, aber zu diesen Künstelrn liegen schon viele Studien vor
[15] ; die Analyse der Auseinandersetzung mit dem Krieg
bei diesen bekannten Künstlern wird also nur selektiv und zugunsten der
weniger gut erforschten Beispiele erfolgen. Die unternommene Arbeit strebt
keine Vollständigkeit des Materials an, sondern die Definition einer
Auswahl, die es ermöglicht, bestimmte, in dem gesamten Material sich
abzeichnende Probleme exemplarisch zu verdeutlichen.
Uns interessieren die vergleichende Analyse des ästhetischen Ausdrucks
der Kriegserfahrung bei verschiedenen Künstlern und die Entwicklungen
ihrer künstlerischen und persönlichen Haltung dem Krieg gegenüber
im Laufe der Zeit - besonders interessant erscheinen die bei jeden Künstler
differenzierten Verarbeitungsweisen des 1. und des 2. Welkrieges, sowie auch
die Phasen der Auseinandersetzung mit dem Krieg im Laufe von jedem Konflikt
(zum Beispiel in bezug auf den 1 . Weltkrieg : Vorkriegszeit und
Kriegsausbruchvisionen, Begeisterung die Beckmann sagen lässt :
« Alles ist Leben, wunderbar abwechslungvoll und überreich
an Einfällen » ; dann Schock mit der Realität im
« Menschenschlachthaus », also ernüchterndes Erlebnis
auf den Schlachtfeldern ; und endlich Nachkriegszeit, die manchmal mit
einem ethischen oder gar politischen Engagement für den Frieden zusammengeht ;
uns interessiert den Zusammenhang zwischen diesen persönlichen Einstellungen
zum Krieg und dem Niederschlag dieser Entwicklungen im ästhetischen Bereich).
III - Problematik - Leitfäden der Fragestellung in dieser Arbeit
1 ) die Problematik Ästhetisierung / Verherrlichung
versus Entheroïsierung / Anklage
Wie schon erwähnt gab es am Anfang des Ersten Weltkrieg oft eine gewisse
Faszination für den Krieg - auch bei später kritischen Künstlern
[16]. Und allgemein bei jeder Kriegsdarstellung, auch bei
denen, die auf den ersten Blick als kritisch zu deuten sind, stellt sich immer
die Frage : wird das Hässliche des Krieges in der künstlerischen
Darstellungen, dadurch, dass « der Künstler auf die Mittel
der ‘schönen Malerei’ angewiesen bleibt »
[17], nicht ästhetisiert, das heisst
verharmlost wenn nicht sogar verherrlicht ? Erlegt der Künstler
trotz seiner mehr oder weniger expliziten kritischen Absicht der Versuchung
der « Verschönerung» des Kriegsgreuels ? Welche
ikonographische und formelle Mittel werden vom Künstler eingesetzt, um
das Hässliche in der schönen Kunst als hässlich zu vermitteln ?
Gelingt es ihm ? Wurde das Gemälde entsprechend rezipiert ?
Wie wurde gerade diese Konfrontation Schreckliches / Schönes als Mittel
der Emotionalisierung genutzt, um die Wahrnehmung zu provozieren ?
Dass die Kunst, auch wenn sie aus dem Ekel vor dem Krieg enstanden ist,
ästhetische Verarbeitung des Greuels bleibt, und dass gerade das
Probleme bei der Rezeption der Kunstwerke Fragen bringt, ist keine neue Fragestellung :
So schrieb zum Beispiel Ernst Kallai 1927 : « Das Schützengrabenbild
von Dix könnte ebensogut der Gegenstand höchster Anbetung eines
fanatischen Kriegsverherers als pazifistisches Propagandamittel sein »
[18]... Wie gehen die Künstler mit dieser Herausforderung
um, dass der Gegenstand Krieg « dadurch,
dass er in die Kunst eingeführt wird, in besonderer Weise geadelt » [19] wird ?
2 ) Die Problematik der Sprach- und Bildlosigkeit
In bezug auf die Darstellbarkeit der modernen Konflikte äusserte schon
1917 der Kunsthistoriker Richard Hamann die Überzeugung, dass angesichts
der Greuel des Weltkrieges die alte Tradition der Schlachtenmalerei zum Absterben
verurteilt sei ; der moderne Krieg sei nicht darstellbar : « Das
Quantum des Leidens, das ein solcher Krieg über die Welt gebracht hat,
lässt sich nicht einmal andeutungsweise auf engem Raum eines Bildes zusammendrängen ».
Mit dem 2. Weltkrieg und der Ausrottung der Juden erscheint der « Zivilisationsbruch »
noch tiefer, und die Darstellbarkeit der Schrecknisse des Krieges tritt als
noch grössere Herausforderung hervor. Um Adorno zu zitieren : wie
kann man nach Auschwitz noch ein Gedicht schreiben, oder ein angemessenes
Bild malen ? Ist jede Kulturproduktion nach Auschwitz nur noch « Müll » ?
Gegenstand der Untersuchung werden hier die Bewältigungsversuche von
Kriegserfahrungen, die künstlerischen Reaktionen auf die neue Herausforderung
der Kriegsdarstellung im XX. Jahrhundert : welche Bilder, welche Motive,
welche ästhetische Mittel haben die Künstlmer eingesetzt, um ihre
Kriegserfahrung zu vermitteln, kommentieren und bewältigen ?
3) Motivuntersuchung
: Diese Kriegsdarstellungen, diese Auseinandersetzungen mit den Schrecken
des Krieges werden thematisch behandelt
werden, mit Blick auf die Stellung dieser Darstellungen zwischen Tradition
und Traditionsbrüchen.
> Die Untersuchung der Motive macht eine vergleichende Analyse möglich,
welche die Gemeinsamkeiten und
die Unterschiede der künstlerischen
Transformationen von Kriegserfahrungen ans Licht bringt. Eine typologieartige
Klassifikation der zu untersuchenden Motive lässt sich aus den schon
vorliegenden Analysen herstellen (Kriegslandschaft, Alltag im Krieg, Porträt...),
wird aber im Laufe der Arbeit verfeinert werden.
> Dabei werden der Wiederaufnahme der Tradition und den Brüchen mit
dieser Tradition besondere Aufmersamkeit gegeben. Denn um auf die eben erwähnte
Herausforderung der Kriegsdarstellung zu antworten haben sich die bildenden
Künstler reichlich der traditionnellen Ikonographie bedient, wobei sie
diese mit neuen Motiven und Malweisen bereichert und weiterentwickelt haben.
Zur Wiederaufnahme der tradierten Ikonographie
gehören insbesondere die christlichen Gleichnisse und die aus der Antike
entnommenen Kriegsallegorien, sowie das Motiv des Totentanzes. Visionen vom
Jüngsten Gericht als Anklage gegen die Grausamkeit des Krieges findet
man zum Beispiel bei Ludwig Meidner (1884-1966) mit dem 1916 gemalten Jüngsten
Tag, oder bei Georges Rouault (1871-1958) mit dem Zyklus
Miserere. La guerre von 1914-1918. Die Apokalyptischen Reiter bilden ebenfalls
ein wiederkehrendes Motiv (zum Beispiel bei Frans Masereel, 1954). Allegorien
aus der Antike findet man zum Beispiel bei Otto Dix, der sich als Kriegsgott
porträtiert (Selbstbildnis als
Mars, 1915). Die Motivik des Totentanzes ist auch sehr wichtig (es seien
nur ein paar Beispiele zitiert : Otto Dix’ [1891-1969] « Totentanz
anno 1917 » aus der Folge
Der Krieg; Frans Masereels [1889-1972]
Danses macabres, 1941).
Das Interessante an diesen Kunstwerken über den Krieg ist, dass sie oft
an der Grenze zwischen Tradition und Innovation stehen : so findet
man zum Beispiel Kreuzigungen - wo aber die Dornenkrone aus Stacheldraht besteht,
oder apokalyptische Reiter - die aber eine Gasmaske tragen, oder noch Reaktualisierungen
von dem schon bei Brueghel anwesenden Gleichnis der Blinden - aber mit Hakenkreuz
am Arm ; die Leiden der Bevölkerung in Anlehnung an Callot und Goya
werden thematisiert - aber mit zeitgenössichen Kennzeichen wie zum Beispiel
der Einführung von dem Motiv des Luftangriffes... Die « Intertextualität »
und innovative Wiederaufnahme von tradierten Motiven und Metaphern des Kriegs
in der Kunst bilden einen Schwerpunkt unserer Arbeit. In dieser Hinsicht erscheinen
Künstler wie A. Paul Weber (1892 geboren) besonders interessant, die
Techniken, Bilder, Figuren, Hintergründe und Themen von Künstlers
aus der Renaissance, aus den 17. Und 19. Jahrhunderten sowie Gedanken aus
der Literatur - eischliesslich Bibel - genutzt haben.
Das Verständnis und die Berücksichtigung der Tradition sind die
Bedingung, um die Traditionsbrüche zu verstehen
. Wenn mit der Technisierung des Krieges Heldentum, Tapferkeit und Hingabe
sich auf dem modernen Schlachtfeld als Chimäre erweisen und wenn also
die individuellen Heldentaten an Bedeutung verlieren, wenn nun anonyme Massen
vernichtet werden, so dass nur das Elend als letzte Realität bleibt,
wenn das Dynamische des Krieges verschwindet und der Krieg sich zum Stellungskrieg
mit Schützengräben entwickelt, wenn Luftangriffe ganze Städte
zerstören und der Krieg nur an den hinterlassenen Spuren wahrnehmbar
bleibt wenn ... dann erschöpfen sich die konventionellen Mittel (man
denke nur an die tradierten Schlachtbilder mit Pferd und Reiter !). Das
Schlachtfeld wird im XX. Jahrhundert anders beschrieben : man findet
nun leichenvolle Schützengräben, menschenleere Landschaften, zerpflügte
Erde ; bei Paul Nash zum Beispiel wird die Zerstörung der Landschaft
durch den Krieg thematisiert, und die leidenden Menschen kommen kaum vor,
denn hier geht es um das Auslöschen vom Leben ; als offizieller
Maler im 1. Weltkrieg wurde Nash verboten, tote Soldaten darzustellen - um
die Motivation der Truppen nicht zu zerstören, aber gerade die Abwesenheit
des Lebens wirkt beeindruckend und deprimierend. Neue Motive wie das des zerschossenen
Waldes, der Ruinenlandschaften (s. Wilhelm Rudolph, der Xmal die Ruinen von
Dresden malt) treten in den Vordergrund. Mit der Technisierung des Krieges
[20] wird das Schlachtfeld weiträumiger und der Krieg
wird in seinem Ablauf weniger übersichtlich ; Episoden des Soldatenlebens
treten dann an die Stelle vom « Überschaubild »
- eine Tendenz, die Sybille Bock schon in der bildlichen Darstellungen zum
Krieg von 1870-71 beobachtet hat
[21], und die der Kunsthistoriker François Robichon
zusammengefasst hat : « Der Frontalltag und die Ruinen waren
die beiden ikonographischen Mittel, um das Schreckliche nicht darstellen zu
müssen und den Krieg doch wahrheitsgetreu zu wiedergeben »
[22].
Der Bezug zur Realität
selbst ist zu befragen : Ekkerhart Mai
[23] behauptet, dass « der Report der Wirklichkeit
- nicht mehr das erwünschte, komponierte Ideal - jetzt in dem Vordergrund
stand», aber solche Behauptungen müssen nuanciert werden, denn
die Maler verstehen sich meistens eben nicht nur als Kriegsreporter ;
hiermit berühren wir aber eine weitere wichtige Problematik, nämlich
die der Frage nach der Konkurrenz der Bilder : in einer Zeit, wo die
Fotografie eine wachsende Stellung nimmt, welche Rolle kommt der bildenden
Kunst zu und wie sehen die bildenden Künstler diese Entwicklungen ?
[1]
Gunnar GERLACH, Reinhold HAPPEL, Hans-Martin KAULBACH, Elke LAUPITZ, « Krieg
- Kunst - Kunstgeschichte. Bemerkungen zu einer Ausstellung über eine
‘unbeteiligte’ Wissenschaft im kunstgeschichtlichen Seminar
der Universität Hamburg, Januar - März 1982 », in :
Kritische Berichte, 10. Jg., 1983,
Heft 2/3, S. 340-359, hier S. 349.
[2]
Annegret JÜRGENS-KIRCHHOFF Schreckensbilder.
Krieg und Kunst, Berlin 1993, S. 19.
[3]
in : ROTHER, Rainer (Hrsg.),
Die letzten Tage der Menschheit. Bilder des 1. Weltkriegs, eine Ausstellung
des DHM, Berlin 1994.
[4]
Hans-Martin KAULBACH, « Krieg und Kriegsvorbereitung in der Kunst »,
in : Jahresbibliographie , Bibliothek für Zeitgeschichte, Stuttgart
1991, p. 655-676.
[5]
D. J. R. BRUCKNER, S. CHWAST et S. HELLER,
Kunst gegen den Krieg. 400 Jahre Protest in der Kunst, Basel, Boston,
Stuttgart 1984 ; Ulrich GERSTER, Regine HELBLING,
Krieg und Frieden in der bildenden Kunst, Zürich 1996 ; thematische
Ausstellungskataloge : Beitrag
der bildenden Kunst zum Thema Krieg und Frieden, Berlin 1975 ;
Schrecken des Krieges. Zeugnisse
aus drei Jahrhunderten, Berlin 1983 ; Schrecken
und Hoffnung. Künstler sehen Krieg und Frieden, Hambourg 1987 ;
Schrecknisse des Krieges. Druckgraphische
Bildfolgen aus fünf Jahrhunderten , Ludwigshafen 1983...
[6]
Joachim UHLITZSCH, Der Soldat in der bildenden Kunst 15-20. Jahrhundert, Berlin 1987.
[7]
Hans-Martin KAULBACH, Bombe und Kanone
in der Karikatur, Marburg 1987.
[8]
Reinhold HAMMERSTEIN, Tanz und Musik des Todes. Die mittelalterlichen
Totentänze und ihr Nachleben, Munich 1980 ; Friedrich W. KASTEN,
Thema Totentanz. Kontinuität
und Wandel einer Bildidee vom Mittelalter bis heute, Mannheim 1986.
[9]
Über Frankreich : Philippe DAGEN,
Le silence des peintres. Les artistes face à la Première Guerre
, Paris 1996, und Frédéric LACAILLE, La Première Guerre mondiale vue par les peintres, Paris 1998
; über England : Angela SUMMERFIELD,
The Artist at War : Second World War Paintings and Drawings from the
Walker Art Galery’s Collection, Liverpool 1990 ; über
Deutschland : Ausstellungskatalog
Der erste Weltkrieg. Vision und Wirklichkeit, Munich 1982.
[10]
Zum Beispiel : Die Letzten Tage der Menschheit. Bilder vom 1. Weltkrieg, S. Fussnote
3; Kunst und Krieg 1939-1989,
Haus der Kulturen der Welt, Berlin 1989 ; Lionel RICHARD, L’art
et la guerre. Les artistes confrontés à la Seconde Guerre
mondiale, Paris, 1995.
[11]
Annegret JÜRGENS-KIRCHHOFF Schreckensbilder.
Krieg und Kunst, Berlin 1993 :
« Eine vergleichende Untersuchung wäre wichtig und wünschenswert,
hätte jedoch den Rahmen dieser Arbeit gesprengt », S.
23.
[12]
Aufgrund dieser Forderung der « Explizitheit» werden die
abstrakten Kunstwerke, deren Deutung gleichzeitig schwieriger und freier
ist, nicht in Betracht genommen.
[13]
Siegmar HOLSTEN, Allegorische Darstellungen des Krieges 1870-1918. Ikonologische und ikonologiekritische
Studien, München 1976, S. 9.
[14]
Pierre Nora, « La
génération », in :
Les lieux de mémoire, Band 2, S. 2975-3015.
[15]
Zum Beispiel : Matthias EBERLE,
World War I ans the Weimar Artists : Dix, Grosz, Beckmann, Schlemmer
, London 1985.
[16]
So schrieb zum Beispiel Beckmann in seinen Briefen 1914, Krieg seit « Erscheiningsform
des Lebens », er hoffe, « viel zu erleben »
und sei « froh » ; er bezeichnet den Krieg als
« gross und schmerzlich » : « Meine
Kunst kriegt hier zu fressen », « je öfter man
stirbt, desto intensiv lebt man »
[17]
Jürgens-Kirchhoff
, S. 259.
[18]
Ernst Kallai, in : Das Kunstblatt
, 1927.
[19]
Georg Bussmann, « Die Darstellung des Krieges », S.
194-199 in : Ausstellungskatalog
Kunst im 3. Reich. Dokumente der Unterwerfung, Frankfurt/ M. 1974, hier
S. 195. Um es ganz zu zitiern : « Der Gegenstand wird dadurch,
dass er in die Kunst eingeführt wird, in besonderer Weise ‘geadelt’.
Er wird in die Sphäre der Kultur, d. h. in den Bereich der fraglos
anerkannten Werte gehoben ».
[20]
S. François Robichon, in : Ausstellungskatalog
Die letzten Tage der Menschheit, S. 288 : « das hervorstechende
Merkmal dieses Krieges mit seinen Schützengräben und das Maschinengewehr
ist der Einsatz von Maschinen : Flugzeuge, Panzer (...) Die ‘Modernität’
des 1. Weltkrieges bestand in seiner industriellen Dimension ».
[21]
Sybille BOCK, Bildliche Darstellungen zum Krieg von 1870-71, Diss. Freiburg 1982.
[22]
François Robichon, S. Fussnote 20, S. 290.