Repräsentation und politischer Anspruch.
Studien zur Vermittlung königlicher Herrschaft unter Karl II. von Spanien (Arbeitstitel)

Projektskizze

Die stark dynastisch geprägte Pietas Austriaca erlebte in Spanien unter der Herrschaft Karls II. (1665–1700) in politisch bedeutsamer Weise gleichzeitig ihre volle Blüte und ihren Endpunkt. Im Rückgriff auf dieses tradierte Religions– und Staatsverständnis der Habsburger verwies die Hofkunst auf das seit Jahrhunderten bestehende Herrschergeschlecht und sein Gottesgnadentum, und demonstrierte so eindrucksvoll auch den aktuellen Machtanspruch. Vor allem in der Spätphase seiner Herrschaft wurde jedoch deutlich, dass mit dem Tod Karls II. auch die Habsburgerdynastie in Spanien enden würde. Dennoch (oder möglicherweise aufgrund dessen) gab er in den 1690er Jahren einige der bedeutendsten Ausstattungsprojekte seiner Herrschaft – Claudio Coellos Altarprojekt der “Sagrada Forma” (1685–90) sowie Luca Giordanos Fresken im großen Treppenhaus (1693) und sowie mehrere Portraitbildnisse – für das königliche Kloster in El Escorial in Auftrag. Damit entstanden diese Werke nicht nur in einem zu verhandelnden Spannungsfeld zwischen einem tradierten Herrschaftsanspruch und einer politischen Realität, die der Fortführung dieser Herrschaft diametral entgegenstand, sondern auch in dem von seiner komplexen ikonographischen Struktur her weitestgehend definiertem Kontext des königlichen Klosters und der andauernden Wirkungsmacht dieses steingewordenen Denkmals der Dynastie der Casa de Austria.
Obwohl die Untersuchung der drei Werkkomplexe als “Imágenes para el fin de una dinastía” (Checa Cremades) somit aufschlußreiche Ergebnisse über das Verhältnis von Kunst und Staatsideologie verspricht, ist ihnen, wie generell dem ausgehenden 17. Jahrhundert in Spanien, seitens der kunsthistorischen Forschung bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil geworden. Die im Zentrum des vorliegenden Promotionsvorhabens stehende Untersuchung dieser Werke auf ihre Transportfunktion von politischem Anspruch bietet daher nicht nur Aufschluß über ein Forschungsdesiderat habsburgischer Herrschaftsrepräsentation und legitimation, sondern auch hinsichtlich der dezidierten Bemühungen eines Regenten, sich (gerade) angesichts des drohenden Endes mittels der Macht der Bilder seiner Herrschaft zu versichern.

Forschungsstand und Herleitung der Fragestellung

Wenn die spanische Kunst lange Zeit in der Peripherie kunsthistorischen Forschungsinteresses lag, so gilt dies erst recht für das ausgehende 17. Jahrhundert. Erst in den 1970er Jahren setzte das Interesse an dem Zeitraum zwischen den möglicherweise vieles überstrahlenden Schaffensperioden eines Velázquez und eines Goya ein. Entsprechend wies (und weist in weiten Teilen bis heute) die Literaturlage noch lange Zeit große Lücken auf. Neben diversen Ausstellungskatalogen ist in den letzten Jahren eine Reihe an richtungsweisenden – allerdings vor allem spanisch– und englischsprachigen – Künstlermonographien publiziert worden. Und wenn auch bis dato keine grundlegende Untersuchung habsburgischer Herrschaftsikonographie vorgenommen wurde, so liegen dazu doch umfangreiche Studien zur Regierungszeit Karls V. und Philipps II., aber auch Philipps IV. vor – ähnliches gilt für die österreichische Linie der Dynastie. Der von Fernando Checa Cremades herausgegebene Katalog zur Ausstellung Cortes del Barroco. De Bernini y Velázquez a Luca Giordano leistete zudem kürzlich einen wegweisenden Beitrag dezidiert zur höfischen Kunst des oftmals vernachlässigten Zeitraumes zwischen den Lichtjahren des spanischen Imperiums unter den Habsburgern und der Übernahme der Regentschaft durch die Bourbonen. Darüber hinaus haben einige erste maßgebliche Studien am Beispiel von ausgewählten Aspekten auch für die Regierungszeit Karls II. herausgearbeitet, wie sich die Mittel der höfischen Kunst zur Propagierung und Legitimierung von Dynastie und eigener Herrschaft nutzen ließen. Vollkommen anders stellt sich die Literaturlage zur (Bau)Geschichte der architektonischen Großprojekte seiner Vorfahren – und insbesondere des königlichen Klosters San Lorenzo de El Escorial – dar: Von den Anfängen von San Lorenzo an bis heute ist das Bauwerk zum Gegenstand einer Fülle umfassender Untersuchungen geworden. Von besonderem Interesse sind dabei für das vorliegende Promotionsvorhaben neben Arbeiten zu der von seinem Stifter intendierten Bedeutung und vielschichtigen Ikonographie des Klosters auch die ersten Studien, die sich – wiederum vor allem in den letzten Jahren – bereits ausgewählten Aspekten der Ausstattungsprogramme nachfolgender Generationen der Dynastie und hier vor allem ihres letzten Vertreters in Spanien gewidmet haben.
Seit dem Einsetzen verstärkten kunsthistorischen Interesses an der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind in den letzten Jahren erste Beiträge auch zur Herrschaftsikonographie des letzten Vertreters der Casa de Austria geleistet, einige Forschungsdesiderate erschlossen und so ein Fundament für weitergehende Auseinandersetzung gelegt worden.
Auf der anderen Seite verdeutlicht gerade diese eingehendere Beschäftigung aber auch eindringlich den noch ausstehenden Forschungsbedarf. So fehlt es bislang u. A. an einer systematischen Untersuchung des elementaren Verhältnisses von Kunst und Staatspropaganda in den großen Ausstattungsprojekten des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Mit der Analyse der drei bedeutendsten Dekorationsprojekte dieser Epoche hinsichtlich ihrer Rolle als Vermittler königlicher Herrschaft setzt sich das vorliegende Forschungsvorhaben die Bearbeitung dieses Forschungsdesiderates zum Ziel. Mit Hinblick auf die ikonographisch bereits weitgehend definierten Entstehungskontexte der Werke muß dabei auch danach gefragt werden, auf welche Modelle in den unter Karl II. entstandenen Bildprogrammen rekurriert wird und ob sich in dieser besonderen politischen Situation eine Abwendung von den dort angelegten tradierten habsburgischen Repräsentationsmodellen feststellen läßt oder eine Zuspitzung. Dass dies ein lohnender Ansatz ist, konnte bereits im Rahmen der Magisterarbeit zur “Sagrada Forma” bewiesen werden. Die Betrachtung der Arbeiten als Auftragswerke eines Herrschers, der in besonderem Maße der legitimierenden Verankerung in der tradierten Ikonographie seiner Dynastie bedurfte, verspricht darüber hinaus als krisenhaft zugespitzter Kumulationspunkt habsburgischer Herrschaftsrepräsentation und –legitimation möglicherweise aufschlußreiche Ergebnisse auch generell zum Verhältnis von Kunst und Staatsideologie im Herrschaftsverständnis der Dynastie.

Literatur (Auswahl)
Ausstellungskataloge
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Quellentexte
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